WCPT Kongress 2011: Focused Symposium: Spinal Manipulation

Focused Symposium: Spinal Manipulation

Der für Manualtherapeuten spannendste Teil des Kongresses fand gleich am ersten Tag statt. Im Rahmen des von Duncan Reid, Vizepräsident der Internationalen Gesellschaft der Orthopädisch-Manipulativen PhysiotherapeutInnen (IFOMPT) und Director of Rehabilitation an der Neuseeländischen Akademie des Sports moderierten Symposiums wurde das Thema „Spinal manipulation – evidence for physiotherapists delivery of effective producers“ behandelt. Reid betonte in seiner Einleitung, dass die Evidenz zur Manipulation an der Wirbelsäule derzeit etwas widersprüchlich ist, da es einerseits hohe Evidenz dafür gibt, dass die Manipulation gleich gut wirkt wie andere Therapieformen, andererseits aber wenig Evidenz dafür, dass die Manipulation besser wirkt. Auch skizzierte er die Entwicklung der Spinal Manipulation von viel Kraft + großer Rotationsbewegung zu sanften hoch spezifischen Techniken.

Timothy Flinn, (American Academy of Orthopaedic Manual Physical Therapists – FAAOMPT) fasste die Evidenz zur Spinal Manipulation mit der Aussage zusammen, dass die Manipulation zwar nicht allen Patienten hilft, denen sie hilft, hilft  aber dafür sehr stark. Ziel der Physiotherapie muss es daher sein, diese Patienten zu identifizieren. Bezogen auf Low Back Pain Patienten scheint dies besonders bei Patienten der Fall zu sein, die Schmerzen kürzer als 16 Tage und keine Ausstrahlung unterhalb des Knies haben.

Bei HWS Patienten zeigt eine RCT Studie von Hoving et al (2002) eine starke Kostenreduktion bei Manipulationsbehandlungen. So sind nach Hoving et al (2002) 3 Manipulationsbehandlungen um insgesamt 402$ gleich effektiv wie 7 normale Physiotherapiesitzungen um 1.167$ oder die fortgeführte Behandlungen durch den Allgemeinmediziner um 1.241$. („It helps faster and it´s cheaper“)

Sein abschließender ( launig vorgetragener ) die Literatur zusammenfassender Ratschlag an die Physiotherapeuten war: „Hast du einen LWS Patienten und du kannst keine LWS Manipulation – schick ihn weiter zu jemanden der manipulieren kann. Hast du einen HWS Patienten und du kannst keine HWS Manipulation kannst du ihn behandeln, wenn du die BWS manipulieren kannst!“

Wayne Hing, Professor und Leiter der Forschung an School of Rehabilitation and Occupation Studies (innerhalb der Fakultät für Gesundheits- und Umweltwissenschaft an der AUT Universität in Neuseeland) wies auf die kontroversielle Studienlage zum Blutfluss in der Art. vertebralis bei gehaltenen Positionen hin und empfahl der genauen Anamnese der Klinik des Patienten – Stichwort 5D´s and 3N´s* – den Vorzug gegenüber den Art. vertebralis-Tests zu geben. Zusätzlich ist vor allem die neurologische Untersuchung der Hirnnerven und die Bewegungsprüfung der HWS zur Abklärung von Art. vertebralis Pathologien von Bedeutung. Bezüglich der Stabilität der oberen HWS unterstrich er im Gegensatz dazu die Wichtigkeit der Tests.

Chris McCarthy, Physiotherapeut und Referent am Imperial College Healthcare in London ging auf Studienlage zu den Gefahren der Manipulation im Bereich der HWS ein. Obwohl es einen Mangel an Evidenz dazu gibt, scheint es möglich, dass die Manipulation der HWS in 1,3 von 100.000 Fällen eine Art. vertebralis Dissektion (Riss) auslösen kann. Auffällig ist hier vor allem die Gruppe der unter 45-Jährigen, bei denen 25% der Schlaganfälle von der Art. vertebralis ausgehen im Vergleich zu 2% bei der Gesamtbevölkerung. Als Red Flags für Art. vertebralis Dissektion erwähnte er (übereinstimmend dem Vortag von Lucy Thomas am Nachmittag desselben Tages) vor allem das erstmalige Auftreten eines für den Patienten unbekannten Kopfschmerzes. Umso wichtiger ist es für Physiotherapeuten, die absoluten Kontrainidikationen in der HWS Behandlung zu erkennen, besonders auch die zervikale Instabiliät. Die Behandlung der HWS mit Manualtherapie ist mit guter Evidenz hinterlegt. 

Den Abschluss des Symposiums bildete ein Vortag von Pieter Westerhuis, Physiotherapeut in der Schweiz, in dem er einige Grundlagen der Manipulation, wie Stabilitäts-Test wiederholte. So zeigte er z.B., dass eine segmentale Untersuchung des Gelenkspiels wichtig ist, um zu verhindern, dass Patienten, die bei der aktiven Untersuchung eine Bewegungseinschränkung haben, in Wirklichkeit aber hypermobil in diesem Bereich sind, manipuliert werden.

Heimo Just, MSc, Lydia Stelzer, MSc


Hoving et al (2002): Manual Therapy, Physical Therapy, or Continued Care by a General Practitioner for Patients with Neck Pain. A Randomized Controlled Trial. 
Annals of Internal Medicine Volume 136, Number 10

 

*:5D’s and 3N’s

 Diploplia (Doppelbilder)

 Dizziness (Schwindel)

 Drop Attacks

 Dysarthria (Sprechstörungen)

 Dysphagia (Schluckstörungen)

 Nausea (Übelkeit)

 Numbness (Benommenheit)

 Nystagmus