„Die Wirksamkeit der Manuellen Therapie und Neuralen Mobilisation bei Engpass Syndromen in der oberen Extremität – im Speziellen in der konservativen Behandlung des CTS“
Ingrid Brauchart (Graz/AT) Das Karpaltunnelsyndrom stellt in der Praxis, die am häufigsten vorkommende, stark behandlungsresistente, periphere Neuropathie der oberen Extremität dar. Diese Aussage wird durch Studien bestätigt, lässt sich aber auch im Praxisalltag erkennen. Erfreulicherweise gibt es neben den positiven empirischen Erfahrungen im Management der CTS Patienten/innen auch Studien, die belegen, dass eine ausschließlich konservative Therapie bei ungefähr 25 % der Fälle zur dauerhaften Beschwerdelinderung führt, wobei natürlich die von Kaplan und Mitarbeitern erhobenen Faktoren wie Alter unter 50, CTS Dauer unter 10 Monaten, intermittierende Parästhesien, keine begleitende Tendovaginitis stenosans, Phalen Test positiv über 30 sec., auf die Prognose Einfluss nehmen. Das Spektrum der konservativen Therapieangebote ist bekannter weise sehr groß und reicht von vielfältigen Behandlungsinterventionen aus dem Bereich der Ergotherapie, physikalischen Maßnahmen wie Quer-und Impulsgalvanisation, TENS, Ultraschall, Phonophorese, Laser etc., bis zum großen Bereich der Manuellen Therapie und Neurodynamik. Der N.medianus besitzt grundsätzlich die Fähigkeit, bei Bewegungen der HWS, Schulter und oberen Extremität im umliegenden Gewebe (mechanischen Interface) longitudinal und transversal gleiten zu können und durch dieses physiologische Phänomen, die auftretende Spannung und Kompression, die auf den Nerv trifft, minimieren zu können. Durch diese Kompetenz ist es möglich, dass der Nerv entlang des Spannungsgefälles in Richtung des Punktes mit der größten Spannung gleitet und dies eine Erklärung liefert, warum es trotz der Tatsache, dass nachweislich bei einer Verlängerung von 8-15% der Blutfluss in peripheren Nerven unterbunden wird, beim N.medianus, der zwischen endgradiger Ellbogenflexion und Ellbogenextension um 20% verlängert wird, keine zu erwartende neurale Ischämie entsteht. Es konnte nachgewiesen werden, dass seine tatsächliche Verlängerung nur ca. 4-6% beträgt, weil der Nerv, wie oben beschrieben, von Handgelenk und Schulter aus in Richtung Ellbogen gleitet. Das transversale Gleiten ist ebenso essentiell , da es dem Nerv ermöglicht, den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten zu nehmen, wenn Spannung auftritt bzw. auszuweichen, wenn er durch benachbarte Strukturen seitlichem Druck ausgesetzt wird, wie es beim N.medianus durch die Aktivität der Beugesehnen im Bereich des Handgelenkes der Fall ist. Die Störung der Gleitbewegung ist bei CTS Patienten/innen in beide Richtungen nachweislich signifikant vermindert. Durch Anwendung neuraler Mobilisationstechniken kann man, durch Studien belegt, positive Auswirkungen auf die reduzierte Dynamik, die ein beitragender Faktor eines bestehenden CTS sein kann, erzielen. Neben dem Wissen der positiven Effekte der Neurodynamischen Behandlungsmöglichkeiten, gilt es zu beachten, dass Studien belegen, dass bei einem cervicalen Lateralgleiten Höhe C5/C6 mehr Bewegung des Nervus medianus ausgelöst wird, als bei einer Kontralateralflexion der HWS. Dieses Wissen wird in der Therapie genützt, um noch effizienter an der Gleitfähigkeit des N.medianus zu arbeiten und die Symptome positiv zu beeinflussen. Ein weiterer Therapiansatz im Patientenmanagement wäre, die für dieses Krankheitsbild entscheidenden HWS Abschnitte in die Behandlungsinterventionen miteinzubeziehen, um vor Ort Stress auf die austretenden Spinalnerven, die sich zum Plexus vereinigen, zu minimieren. Dazu ist es erforderlich, die Beweglichkeit in den einzelnen Segmenten zu erheben und dementsprechend stabilisierende oder mobilisierende Interventionen zu setzen. Eine andere konservative, physiotherapeutische Maßnahme wäre die Behandlung des atlantooccipitalen Gelenkes, bei dem durch elektrosympathigraphische Aufzeichnungen in einer Studie festgestellt wurde, dass ein messbarer Nachweis der Wirkung manueller Therapie auf das sympathische Nervensystem gegeben ist. Der Effekt der Senkung der Sympathikushyperreflexaktivität und somit das Erreichen einer positiven Tonussituation kann auch über manualtherapeutische Techniken im Bereich der mittleren BWS erzielt werden. Eine weitere Herausforderung für den Nerv stellt die Kompression dar, für die der Nerv grundsätzlich physiologische Möglichkeiten besitzt, seine Axone vor übermäßigem Druck zu schützen und Schäden vorzubeugen. Um den Schutz gegenüber Kompression seitens der konservativen Therapie zu unterstützen und dieses Gewebe zu entlasten, ist dafür Sorge zu tragen, dass das knöcherne Umfeld optimal gestaltet wird und möglichst viel Beweglichkeit/Flexibilität zulässt. Konkret bezieht sich diese Aussage auf die Mobilität der einzelnen Handwurzelknochen. Nach einer erfolgten Stellungsdiagnose, dem durchgeführten Mobilitätstest, kann, wenn erforderlich, das durch den Befund erhobene Bewegungsdefizit durch manuelle Gleitmobilisationen entsprechend der Konvex Konkav Regel, verbessert werden. Da das mechanische Interface des Nervs aber nicht nur aus Knochen besteht, darf in der konservativen Therapie nicht auf die umgebende Muskulatur vergessen werden, die durch Tonuserhöhung eine komprimierende Wirkung auslösen kann. Eine weitere Möglichkeit, durch Physiotherapie einen positiven Effekt bei der Behandlung von CTS Patienten/innen zu setzen, wäre die Anwendung des Konzeptes der Triggerpunkttherapie, da bei diesem Krankheitsbild den Mm.scaleni ein hoher Stellenwert zugewiesen wird. Zur Vollständigkeit der möglichen konservativen, manuellen Behandlungstechniken sei auch noch auf die Haltungskorrektur und die damit verbundene Trainingstherapie hingewiesen. Einerseits ist eine aufrechte Haltung von Bedeutung, weil sie sich auf die Stellung der clavicula und dadurch auf den Raum zwischen erster Rippe und clavicula, einem Engpassbereich, auswirkt. Zweitens würde eine erhöhte kyphotische Haltung die Mobilität der BWS Segmente gefährden und die dadurch auftretende Hypomobilität eine gestörte Mechanik in der HWS nach sich ziehen. Der dritte Grund für eine Haltungskorrektur wäre, eine permanent überdehnte Muskulatur im interscapulären Bereich und somit die Ausprägung von Triggerpunkten zu vermeiden. Da es seitens der Physiotherapie mehrere Möglichkeiten gibt, durch manuelle Therapie positiv auf das CTS einzuwirken, wird der individuelle Behandlungsplan, die Auswahl der Therapieform nach einem gründlich durchgeführten Clinical Reasoning erstellt und durch Wiederbefundungen ständig aktualisiert. Studienverzeichnis: 1] Mumenthaler M., Schliack H., (1974) Läsionen Peripherer Nerven – Diagnostik und Therapie, Springer, Wien New York [2] Aroori S., Spence RA., (2008) Carpal tunnel syndrome, Ulster Med J. 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